
Hygge, Ikigai und Lagom – Was uns die Schweden beibringen
Hygge, Ikigai und Lagom hört sich ein bisschen wie ein Trio Eugster an. Die drei Wörter bezeichnen aber einfach nur unterschiedliche Lebensgefühle oder – weisen. In einer Kurzserie lernen wir die drei Lebenskünste kennen und erhalten einen Einblick nach Dänemark, Japan und Schweden.
Nachdem wir bereits Hygge kennengelernt haben, wenden wir uns einem nördlicheren Nachbarn von Dänemark zu: den Schweden. Berühmt berüchtigt sind die Schweden für vieles. Sozialstaat, grossgewachsen, blonde Haare, Polarnächte, Aurora, moderne Städte – die Liste scheint endlos. Was ist denn nun aber Lagom?
Ein Gefühl ohne Übersetzung
Die ersten Google-Suchergebnise, die man beim Suchbegriff Lagom findet, fangen alle gleich an: Es gibt keine deutsche Übersetzung für dieses schwedische Wort. Und wie immer, wenn keine klare Übersetzung vorhanden ist, gibt es Nuancen in der Definition. Die meisten fassen es aber ähnlich zusammen wie die Website Finnlines: Lagom soll das «das ausgeglichene und zufriedene Lebensgefühl» beschreiben. Visit Sweden fasst es so zusammen: «Weder zu viel, noch zu wenig, sondern ausgewogen, das erklärt die Bedeutung des Wortes Lagom.» Oder, ganz einfach ausgedrückt: Genau richtig.
Es geht also darum, dass jede Person ihre eigene Balance findet und dadurch ein glücklicheres Leben fühlen kann. Lagom heisst die eigene Balance zu finden und zu erkennen, was man zu deren Sicherstellung braucht. Nicht mehr und nicht weniger. Mittlerweile hat sich Lagom – wie so vieles – zu einem Trend entwickelt und steht insbesondere für eine ausgewogene und nachhaltige Lebensweise. Es erhebt sich damit gegen den Überkonsum und die Umweltzerstörung. Besonders oft ist Lagom auch in der Innenarchitektur und Einrichtungsbranche zu finden. Auch wenn die Schweden diese Erfindung nicht nur sich selbst zuschreiben dürfen (ähnliche Wörter gibt es auch in den anderen skandinavischen Ländern, in Thailand oder Japan), so zählen sie doch zu den Trendsettern von Lagom.

Wie drückt sich Lagom aus?
Um zu verstehen, was Lagom ist, sehen wir uns den schwedischen Lebensstil genauer an. Welche Dinge tragen zu diesem ausgeglichenen Leben bei? Wie kann man Lagom umsetzen?
Meister der Pausen – Lagom im Alltag
Niemand kann Kaffeepause wie die Schweden. Nein, italienische Espressi müssen sich nicht beleidigt fühlen. Aber im Gegensatz zum an der Kaffeebar stehend getrunkenen Heissgetränk zelebrieren die Schweden ihre Fika. Der Kaffee ist dabei nämlich nur eine Komponente: Genau so wichtig ist der richtige (Kuchen-)Snack und die teilnehmenden Freunde. Zudem muss die Fika nicht in Völlerei oder Verzicht enden, der Kaffee muss nicht überkoffeiniert sein, es müssen nicht zwanzig Freunde mitkommen wenn eigentlich nur zwei Lust haben – auch das ist Lagom
Work-Life-Balance – Lagom im Business
Hände hoch wer beim Wort «Work-Life-Balance» bereits Schnappatmung kriegt, weil es dir überall unter die Nase gerieben wird! Und trotzdem drückt Work-Life-Balance aus, was Lagom im Arbeitsalltag bedeutet: Genau so viel von allem, wie es braucht. Keine Überstunden bis spät in die Nacht, kein Burnout, keine Unterforderung. Zeit für sich selbst, seine Interessen und Hobbys. Für die Liebsten, die einen umgeben. Fika als Arbeitspause. Einen Arbeitstag, der dich erfüllt statt erdrückt.
Miteinander, füreinander – Lagom in der Gesellschaft
Lagom und der schwedische Sozialstaat beeinflussen sich wohl gegenseitig. Eine ausgedehnte Elternzeit (480 Tage!) begünstigt beispielsweise Erholung und einen entspannten Arbeitsstart nach dem Eltern werden. Die sozialen Fangnetze durch ausgeprägte Sozialversicherungen tragen dazu bei, angstfreier Leben zu können. Das Streben nach dem «durchschnittlich sein», wird nicht als negative Sache, sondern als positiver Ansporn gesehen. Ja, auch die skandinavischen Sozialstaaten, die immer hochgelobt und als tolle Vorbilder propagiert werden, haben Schattenseiten und dürre Wurzeln – insgesamt tragen sie aber erheblich zu einem glücklicheren Leben bei (World Happiness Report 2024).
Gemütlich und sinnvoll – Lagom beim Wohnen
Minimalismus, aber mit Köpfchen. Es geht beim lagom’schen Wohnungsstil nicht um «möglichst wenig haben», sondern um «nur haben, was man wirklich braucht». Eine gemütliche, sinnvolle Einrichtung hilft, einen klaren Kopf zu bewahren, schützt vor tagelangem Aufräumen und Putzen, und spart Geld! Du liebst Weihnachten und Weihnachtsdekorationen tragen für dich erheblich zum Wohlfühlen bei? Dann go for it. Du dekorierst nur, weil du «musst»? Dann lass es lieber bleiben. Lagom animiert zudem zu nachhaltigem Design, auf ganzer Linie. Auf vielen Infoseiten wird hervorgehoben, dass insbesondere die Lichtverhältnisse wichtig sind. Kein Wunder wenn man im Polarkreis wohnt. Warmes, freundliches Licht gehört zu Lagom wie die Zipfelmütze zum Kasperli.
Langsam und Lokal – Lagom auf Reisen
Ins Flugzeug steigen, die berühmtesten Orte ablaufen und anschliessend wieder zurückfliegen, mit mehr Handyfotos als Erinnerungen – das ist nicht Lagom. Nein, es geht darum, bewusst zu Reisen. Dafür muss man das Fliegen nicht verteufeln, darf das Empire State Building und den Eiffelturm besuchen und viele Handyfotos knipsen – solange man den Moment geniesst und eine ausgewogene Reise im inneren Gleichgewicht erlebt. Natürlich bietet es sich an, lokal und slow zu reisen, aber jede/r muss für sich selbst entscheiden, welches sein Reisegleichgewicht ist.

Lagom als Lebensphilosophie
Ein wenig Lagom tut uns allen gut. Es muss nicht immer schneller, höher und weiter sein. Ein Gleichgewicht im Leben zu finden und damit Lagom zu leben ist erstrebenswert. Lagom soll aber keine Ausrede dafür sein, in der eigenen Komfortzone zu verweilen und das echte Leben zu verpassen. Das Leben, dass manchmal traurig, anstrengend, überwältigend und turbulent ist. Denn das gehört auch zum Gleichgewicht: Lachen und Weinen, Ausruhen und Vorwärtsgehen, Herumspringen und Stillsitzen, Füsse hochlegen und in Bewegung bleiben, Gönnen und Verzichten, …
Ich wünsche dir darum mehr Lagom im Leben.
Verwendete Quellen:


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