
Die Welt ist eine Bühne – Impression Management und Selbstdarstellung
Jeden Tag versuchen wir zu erreichen, dass unsere Mitmenschen uns so sehen, wie wir gesehen werden möchten. In der Psychologie nennt man dies «Impression Management».
Dieser Fachbegriff vereint drei Methoden zur besseren Selbstdarstellung: Ingratiation, verhaltensmässiges Self-Handicapping und selbstberichtetes Self-Handicapping. Die wirkungsvollste Methode des Impression Managements ist die Ingratiation. Sie beschreibt eine Art des «Honig ums Maul Schmierens». Wir versuchen, durch Lob, Komplimente und Schmeicheleien einen höheren sozialen Status zu erreichen. Diese Gefälligkeiten richten wir oftmals an Personen, welche bereits einen höheren sozialen Status als wir selbst besitzen. Damit versuchen wir, auf der sozialen Karriereleiter eine Stufe aufzusteigen. Politiker*innen nutzen Ingratiation, um das öffentliche Bild ihrer Person gut darzustellen. Ein berühmtes Beispiel ist der ehemalige US-Präsident J. F. Kennedy, der sich als gesunde, fitte Person präsentierte. In Wahrheit litt er unter diversen Krankheiten und war dementsprechend physisch schwach.
Komplimente und Lob als Waffe
Warum ist Ingratiation so oft erfolgreich, wenn es doch auf einer Täuschung beruht? Menschen geniessen es, wenn jemand nett zu ihnen ist. Wenn wir ein Kompliment erhalten, schüttet unser Körper Glückshormone aus. Wir fühlen uns gut und assoziieren diese Gefühle mit jener Person, welche uns das Kompliment gemacht hat. Dadurch verbessern sich unsere zwischenmenschlichen Beziehungen und unser soziales Ansehen.
Auf den ersten Blick scheint die Taktik der Ingratiation nur Vorteile mit sich zu bringen. Einerseits verbessern wir unser Selbstwertgefühl. Andererseits werden die Empfänger*innen unserer Botschaften glücklicher und bauen eine engere Bindung zu uns auf. Aber Achtung: Wenn der oder die Empfänger*in unserer Botschaft bemerkt, dass wir unsere Komplimente und Schmeicheleien nicht ernst meinen, können die positiven Effekte schnell ins Gegenteil kippen. Im schlimmsten Fall führt diese Heuchelei zu Vertrauensverlust oder zu sozialem Abstieg – dem Gegenteil davon, was wir erreichen wollen.
Unser eigener grösster Gegner
Doch selbst in Situationen, in denen wir scheinbar nicht mehr gewinnen können, hilft uns das Impression Management weiter. Die Methode des «Self-Handicapping» ist eine Art Schutzschild, welche uns vor Enttäuschungen bewahren soll. Indem wir uns selbst ein Handicap zufügen, können wir äusseren Ursachen die Schuld für Misserfolge geben. Unser Selbstwertgefühl und die Art, wie andere Menschen uns wahrnehmen, bleibt dadurch unbeschmutzt. Diese Methode lässt sich in verhaltensmässiges und selbst berichtetes Self-Handicapping unterteilen.
Verhaltensmässiges Self-Handicapping: Eine eigene Extremsituation schaffen
Stellen Sie sich vor, dass Sie nächste Woche am Montag eine wichtige Präsentation vor der Geschäftsleitung Ihres Arbeitgebers geben müssen. Verständlicherweise sind Sie vor diesem wichtigen Ereignis etwas nervös. Eine vernünftige Bewältigungsstrategie wäre in dieser Situation, die Präsentation korrekturlesen zu lassen, vor anderen Personen zu üben und in der Nacht auf Montag genügend zu schlafen. Wenn die Präsentation jedoch trotz dieser Vorbereitungen misslingt, haben Sie dafür keine Ausrede. Durch Self-Handicapping können Sie versuchen, externe Ursachen für Ihren Misserfolg zu finden. In der extremeren Form, dem verhaltensmässigen Self-Handicapping, verringern Sie aktiv Ihre Chancen auf ein gutes Ergebnis. Zum Beispiel würden Sie sich am Wochenende betrinken und am Montag verkatert zur Präsentation erscheinen. Diese Strategien verringern die Wahrscheinlichkeit, eine Aufgabe erfolgreich zu bewältigen. Oftmals werden Drogen oder Alkohol als Hindernisse genutzt.
Selbst berichtetes Self-Handicapping: Erst die Ausrede, dann die Anstrengung
Nicht alle Formen des Self-Handicappings sind so extrem. Beim selbst berichteten Self-Handicapping legen wir uns Ausreden für unser allfälliges Versagen zurecht, anstatt uns selbst aktiv zu manipulieren. Im Falle der Präsentation könnten Sie vorgeben, dass Sie sich erkältet haben und sich deshalb nicht fit fühlen. Ein Scheitern könnten Sie in dieser Situation auf die angeschlagene Gesundheit schieben.
Auf den ersten Blick wirkt diese Form des Selbstmanipulation harmlos und menschlich. Doch Self-Handicapping ist ein zweischneidiges Schwert.
Der Glaube an die Lüge
Wir betreiben Self-Handicapping, weil es uns davor schützt, Verantwortung und Schuld für allfälliges Versagen tragen zu müssen. Doch es besteht die Gefahr, dass wir anfangen, unsere eigenen Ausreden zu glauben. Wir fragen uns vielleicht, warum wir uns anstrengen sollen, wenn wir sowie kaum geschlafen haben und noch dazu verkatert sind. Oder wir bilden uns ein, wirklich nicht ganz gesund zu sein und schöpfen nicht unser volles Potenzial aus. Schlussendlich erbringen wir aufgrund des Self-Handicappings genau jene schlechte Leistung, vor der wir uns ursprünglich schützen wollten.

Impression Management – Die Dosis macht das Gift
Beide Formen des Impression Managements, Ingratiation und Self-Handicapping, verschaffen uns Vorteile. Beide Taktiken bergen jedoch auch die Gefahr, genau diese Vorteile in Nachteile umzuwandeln. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns unseren Handlungen bewusst sind und diese stetig hinterfragen. Bleiben wir wach, weil wir nervös sind und nicht einschlafen können? Oder bleiben wir wach, um eine Ausrede zu haben?
Grundsätzlich sollten wir stets versuchen, die authentischste Form von uns selbst zu sein. Aus Fehlern und Misserfolgen können wir lernen, wenn wir diese nicht vermeiden. Durch realistisches und transparentes Handeln können wir einen Misserfolg besser verarbeiten, ohne dafür manipulative Strategien nutzen zu müssen. Und vielleicht erhalten wir dafür schlussendlich ernst gemeinte Komplimente, statt nur Schmeicheleien.
Quellen:
Sozialpsychologie (Aronson et al., 2014)
«Wie uns Komplimente glücklicher machen», Artikel der Zeit.de vom 01. März 2021 (https://www.zeit.de/news/2021-03/01/wie-uns-komplimente-gluecklicher-machen?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F)


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