
Kampf mit den Kohlenhydraten: Ketogene Ernährung unter die Lupe genommen
Ernährung beschäftigt unsere Kultur bereits seit Jahren. Traumkörper, Blitzdiäten, Dickmacher – diese Schlagworte fallen mehrmals täglich, ob im persönlichen Gespräch, in Zeitschriften, Fachartikeln oder im Restaurant. Bereits in der Schule werden wir in die Hohe Kunst der Lebensmittelpyramide eingeführt und wissen alle, dass 5 Portionen Obst und Gemüse uns gut tun. Doch jeden Tag kommen neue Erkenntnisse, vermeintliche Lösungen oder gesunde Lebensstile zur bereits jetzt enorm grossen Informationsflut hinzu. In dieser mehrteiligen Reportage möchte ich unter anderem über Intervallfasten, ketogene Ernährung und Zuckerfreiheit berichten. Was bedeuten diese Begriffe? Welche Lehren können wir daraus ziehen? Und – wer hat denn jetzt Recht?
Disclaimer: Das Thema Ernährung ist spannend, aber auch komplex und kompliziert. Dem Artikel liegen ausführliche Recherchen zugrunde, jedoch kann es sein, dass sich Fehler eingeschlichen haben. Wenn du Fehler entdeckst, melde sie doch gerne. Die Quellen findest du am Ende des Artikels.
Ketogene Ernährung – Ein Überblick
Fett statt Kohlenhydrate – das fasst die Ketogene Ernährung oder Ketogene Diät (meist kurz Keto genannt) gut zusammen. Es wird nach dem Prinzip Low-Carb und High-Fat gegessen: Also wenig Kohlenhydrate und viel Fett. Warum? Wenn der Körper keine Kohlenhydrate zugeführt bekommt, greift die Leber auf Fett zurück und bildet einen Glukoseersatz: die Ketonkörper. So sichert sich der Körper seine Energiezufuhr.
Diese Ernährungsform stammt ursprünglich aus der Medizin. Sie wurde ca. 1920 entwickelt und wird bis heute zur Behandlung von Epilepsie bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt. Der Wirkungsmechanismus ist bis heute nicht genau bekannt, er beruht aber auf den Erkenntnissen aus der Antike: Damals wurden bereits günstige Auswirkungen des Fastens auf Epilepsien beobachtet.
Ernährungsumstellung und -zusammensetzung
Was haben wir bisher gelernt? Kohlenhydrate sind unsere Nummer eins-Energielieferanten. Der Körper sucht sich erst Ersatzstoffe, wenn Glukose und Glykogen aufgebraucht sind. Das heisst, um dich neu ketogen zu ernähren, musst du alle deine Speicher zuerst aufbrauchen. Die einfachsten Wege zur Ernährungsumstellung sind:
- 24 Stunden fasten (bis dahin sind ca. die Glykogenspeicher leer)
- 2 Wochen täglich weniger als 50 g Kohlenhydrate zu dir nehmen
- intermittierendes Fasten und ketogene Ernährung kombinieren
Und dann? Dann folgt die neue Ernährung.
Bei einem Energiebedarf von 2’000 kcal wird folgende Zusammensetzung vorgeschlagen: 165 g Fett, 40 g Kohlenhydrate, 75 g Eiweiss. Anders ausgedrückt: 60% soll Fett sein, 30% sollen Proteine sein und nur 10% sollen Kohlenhydrate sein. (Achtung: Die Vorstellungen der Zusammensetzung weichen teilweise stark ab. Zwischen 60 – 80% Fett, 20 – 30% Protein und 2 – 10% Kohlenhydrate ist alles vertreten.)

Lebensmittel: erlaubt vs. verboten
Erlaubte Lebensmittel sind:
- Fleisch (alle Arten, z.B. Poulet, Schinken oder Speck)
- Fisch und Meeresfrüchte
- Pflanzliche Öle (z.B. Kokosöl, Butter, Avocadoöl oder Olivenöl)
- Grünes, kohlenhydratarmes Gemüse (z.B. Tomaten, Zwiebeln, Spinat oder Salat)
- Avocados und Eier
- Milchprodukte (z.B. Käse oder Rahm)
- Nüsse, Nussmuss und Samen (z.B. Walnüsse, Chiasamen oder Kürbiskerne)
- Gewürze
- zuckerarmes Obst in geringen Mengen (z.B. Beeren)
Verbotene Lebensmittel sind:
- Getreide (z.B. Pasta, Reis oder Müesli)
- Hülsenfrüchte (z.B. Erbsen, Linsen oder Kidneybohnen)
- Knollen- und Wurzelgemüse (z.B. Kartoffeln, Rüebli oder Randen)
- Zucker bzw. Zuckerhaltiges (z.B. Kuchen, Kekse, Softdrinks oder Fruchtsäfte)
- zuckerreiches Obst (z.B. Bananen, Mangos, Äpfel oder Ananas)
- ungesunde Fette (z.B. verarbeitetes Pflanzenöl oder Mayonnaise)
- Fertiggerichte und Gewürzmischungen
- Alkohol
- fettarme Diätprodukte
Vorteile von Keto
Wem jetzt vor lauter Zutaten noch nicht der Kopf schwirrt, darf sich jetzt auf die Vorteile einer ketogenen Diät freuen.
Abnehmen
Ich würde pokern, dass der grösste Teil der Menschen, die Keto einmal ausprobieren möchte, das Gewicht zumindest im Hinterkopf hat.
Keto ist dabei auf den ersten Blick eine gute Wahl: Viele nehmen durch die Diät rasch und effektiv ab. Warum? Es gibt keine überschüssige Glukose, welche in Fettpölsterchen gespeichert werden kann. Im Gegenteil: Man ist dauernd im Fettverbrennungsmodus. Ausserdem isst man durch die Ernährungsumstellung meist schon achtsamer und bewusster und vermeidet so eine ungewohnt hohe Kalorienzufuhr.
Vermindertes Hunger- und Heisshungergefühl
Allgemeingültige Aussagen sind hier schwer zu treffen. Viele Ketos (ich nenne sie hier einfach so) berichten aber davon, dass Keto satt macht. Durch den stabilen Blutzucker- und Insulinspiegel werden Heisshungerattacken vermindert.
Keine Leistungstiefs mehr
Um beim Blutzuckerspiegel zu bleiben: Dank der gleichmäßigen Energieversorgung bleiben die plötzlichen Leistungstiefs aus, da der Blutzucker nicht schwankt.
Entzündungen verringern
Ein hoher Zuckerkonsum fördert Entzündungen. Da du in der ketogenen Ernährung auf zuckerhaltige Lebensmittel verzichtest, vermeidest du diesen Effekt. Zudem soll es Studien geben (ich habe sie nicht gefunden), die auf den entzündungshemmenden Effekt von Ketonkörper hinweisen.

Nachteile von Keto
Fehlende Langzeitforschung
Für viele ein sehr ausschlaggebender Punkt: Die ketogene Ernährung ist nur wenig erforscht, es fehlen vor allem repräsentative Langzeitstudien.
Hohe Einschränkung
Bei einer ketogenen Ernährung schränkt man sich stark ein. Beispielsweise fallen viele meiner persönlichen Go-To-Gerichte weg (Kartoffeln ahoi). Es wird wichtig, sich stark und bewusst mit der Ernährung auseinanderzusetzen, um ketogen Leben zu können.
Ausserdem muss auf die richtigen Fette geachtet werden: Es sind zwar frittierte Lebensmittel und gesättigte Fettsäuren erlaubt, jedoch werden dies emit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Ungesättigte Fettsäuren sind hier die Favoriten.
Jo-Jo-Effekt
Der Paukenschlag für jeden, der sich beim Abnehmen gefreut hat. Wer die ketogene Diät nicht durchhält und vielleicht wegen dem Nachteil der Einschränkung wieder aufhört, gewinnt meist das Ausgangsgewicht wieder hinzu.
Tierisches Protein
Besonders tierische Proteine belasten die Nieren stärker als pflanzliches Protein. Auch die Leber läuft Gefahr, durch die fett- und proteinreiche Ernährung stärker belastet zu werden.
Keto-Grippe und weitere gesundheitliche Nebenwirkungen
Die Keto-Grippe äussert sich durch Müdigkeit, Reizbarkeit, Kopfschmerzen, Muskelkrämpfen und Verdauungsprobleme. Es ist eine Begleiterscheinung bei der Umstellung und sollte nach etwa zwei Wochen verschwinden. Weitere Nebenwirkungen sind Leistungstiefs (dauerhafte tiefe Leistungen), Mundgeruch, Übelkeit, unregelmässiger Herzschlag und ein erhöhter Harnsäurespiegel.
Keto und Medizin
Die positiven Wirkungen bei Epilepsie haben wir bereits kurz angeschnitten. Auch bei Diabetes und Übergewicht kann eine Keto-Diät positive Wirkungen entfalten. Ausserdem gibt es Studien, die positive Effekte bei Multipler Sklerose, Krebs oder Alzheimer entdeckt haben. Wieder andere Studien widerlegen jedoch genau diese Effekte. Ein Grund dafür könnte sein, dass diese Krankheiten sich bei allen Patienten verschieden auswirken (z.B. Grösse von Tumoren). Die Wissenschaft hat hier aber das letzte Wort noch nicht gesprochen und weitere Studien scheinen bereits in der Pipeline zu stehen.

Ein Erfahrungsbericht
Phu – das waren heute wieder ganz schön viele Infos. Und für mich waren es spannende Stunden der Recherchen. Von Lifestyle-Magazinen über Ratgeber bis hin zu wissenschaftlichen Studien hat wieder einmal alles Platz gefunden (wobei letzterem tendenziell am meisten Glauben geschenkt werden sollte).
Doch wie kam ich auf die Idee zu dieser Ernährung? Ein Erfahrungsbericht einer Keto in einem Forum hat mich darauf aufmerksam gemacht.
Und genau hier folgt der spannende Teil: Habt ihr noch Fragen? Möchtet ihr etwas genauer wissen? Möchtet ihr mehr Infos?
Wenn sich einige spannende Fragen einfinden, würde ich diese der Keto zukommen lassen und der ‘live’ Erfahrungsbericht schliesslich wieder hier auf meinem Blog teilen → sofern die Person einverstanden ist.
Fazit
Wer ketogen leben möchte, muss viel über Nahrungsmittel und deren Zusammensetzung wissen. Einfach nur stur nach Listen zu kochen funktioniert mit der begrenzten Ausfall nach einer Weile nicht mehr. Ausserdem ist Keto besonders am Anfang sehr zeitintensiv. Fertigprodukte fallen grösstenteils weg, frisches Brot vom Bäcker liegt nicht mehr drin und ein Raclette-Abend muss ohne Gschwellti stattfinden. Für einige Menschen überwiegen die positiven Effekte der Keto-Diät jedoch all diese negativeren Aspekte.
Persönliches Fazit
Für mich persönlich hört sich Keto nach einem Albtraum an. Auf der “No-Go”-Liste stehen einige meiner absoluten Lieblingsnahrungsmittel, nämlich Pasta, Kartoffeln und Äpfel. Mich in diesen Bereichen einzuschränken, würde mir ganz schwer fallen. Trotzdem haben mich die positiven Erfahrungsberichte, über die ich bei der Recherche gestolpert bin, überrascht. Es zeigt einfach wieder einmal, dass man leben und leben lassen sollte! Nichtsdestotrotz: Die rigorose Art, in der bei der ketogenen Diät Lebensmittel in “gut” und “schlecht” eingeteilt werden, ist wahrscheinlich besonders für Personen mit Vorerkrankungen (Essstörungen usw.) gefährlich. Aus dem Bauch heraus würde ich vorschlagen, eine ketogene Diät nicht ohne Rücksprache mit einer medizinischen Fachperson anzufangen. Das ist aber nur meine persönliche Empfehlung.
Quellen:


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